Das Phänomen TVA logement

Eine der ersten großen Amtshandlungen von Blau-Rot-Grün war die Erhöhung der TVA um zwei Prozent. Zwar hatte die DP vor den Wahlen 2013 eine TVA-Erhöhung kategorisch ausgeschlossen. Doch als die Liberalen dann in der Regierung waren, kam sie doch, um die schwindenden Einnahmen aus dem elektronischen Handel auszugleichen.

Die Regierung legte sogar noch einen drauf und schaffte den superreduzierten Mehrwertsteuersatz von drei Prozent auf Mietwohnungen ab. Damit verteuerte sich der Mietwohnungsbau um 14 Prozent. Beim Bau von Erstwohnungen gilt nach wie vor der superreduzierte TVA-Satz von drei Prozent mit einem unveränderten Höchstbetrag von 50 000 Euro. Das bedeutet: Der Staat erstattet Steuern in Höhe von 50.000 Euro.

Entwicklung der Mietpreise

(Preisindex, auf Basis von Immobilienanzeigen)
 

Entwicklung der Kaufpreise

(Preisindex, auf Basis von Immobilienanzeigen)

 

Verteuerung von Erstwohnungen

Finanzminister Pierre Gramegna argumentierte damals, dass sich beim Bau von Erstwohnungen nichts ändern würde, was aber nicht stimmte. Vor der Steuererhöhung erreichte man den Höchstbetrag bei einem Investitionsvolumen von 416.666 Euro und der Rest wurde zu 15 Prozent besteuert. Seit der Steuererhöhung erreicht man den Höchstbetrag bei einem Investitionsvolumen von 357.143 Euro, der Rest wird zu 17 Prozent besteuert. Somit hat sich der Bau von Erstwohnungen sehr wohl verteuert.

Die Abschaffung des superreduzierten Mehrwertsteuersatzes auf Mietwohnungen führte dazu, dass Organisationen wie die Caritas, die im sozialen Mietwohnungsbau aktiv sind, weniger bauen. Sie können die Mehrkosten nicht auf die Mieter umlegen, weil die Mieten an das Einkommen gekoppelt sind. Also baut die Caritas weniger. „Bei den öffentlichen Bauträgern wie der SNHBM oder dem Fonds du logement spielt die Verteuerung keine große Rolle“, sagt Norry Dondelinger von der Handwerkskammer. „Sie bekommen einfach mehr Mittel vom Staat und das verschleiert natürlich das Problem.“

Finanzieller Impakt der Steuerermäßigung

(2002-2017, in Millionen Euro)

Die Handwerkskammer hatte 2014 vor der TVA-Erhöhung auf Mietwohnungen gewarnt. Die Maßnahme würde besonders Menschen mit kleinen Einkommen treffen, die gezwungen seien, auf dem privaten Wohnungsmarkt zu mieten, weil es nicht genügend Sozialwohnungen gibt. Und sie hatte vor einer Erhöhung der Mietpreise gewarnt. Die Handwerkskammer sieht sich heute in ihren Befürchtungen bestätigt.

Tatsächlich sind sowohl die Verkaufs- also auch die Mietpreise gestiegen. Welchen Impakt dabei die Erhöhung der TVA logement hat, sei schwer zu sagen, sagt Norry Dondelinger. Die Preissteigerung habe viele Ursachen, eine sei ganz klar das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage, aber auch die hohen Energiestandards, die den Bau teurer machen. Dass die TVA-Erhöhung eine preistreibende Wirkung hat, steht für ihn allerdings außer Frage.


familie
Dondelinger stellt das Vorgehen der Regierung insgesamt in Frage. „Zuerst erhöht sie die Steuern. Dann macht sie eine Steuerreform und beschließt neue Beihilfen wie den Mietzuschuss, um den Menschen unter die Arme zu greifen. Dadurch steigen wiederum die Mieten“, so Dondelinger. Ein Teufelskreis.

„Da redet man gegen Wände“

Und die Regierung scheint in dieser Angelegenheit unbelehrbar. In einem rezenten Interview mit dieser Zeitung (LW vom 26. Mai 2018) bezeichnete Robert Urbé von der Caritas die TVA-Erhöhung als fundamental unsozial. „Aber darüber war ja nicht zu diskutieren“, sagte Urbé. Das sei das größte Problem dieser Regierung. „Sie zurrt im stillen Kämmerlein Dinge fest und die werden dann nicht mehr in Frage gestellt. Da redet man gegen Wände.“

Auch der Conseil économique et social (CES) biss bei der Regierung auf Granit. In seinem Gutachten von 2014 über die Abschaffung des superreduzierten Steuersatzes auf dem Bau von Mietwohnungen bedauert der Wirtschafts- und Sozialrat, “que le Gouvernement n’ait apparemment pas fait procéder à aucune étude plus fouillée concernant l’impact de la mesure sur les prix du logement, les loyers et les dangers potentiels pour le secteur de la construction, pourtant particulièrement sensible aux fluctuations de la demande et soumis en permanence au danger du travail clandestin et au dumping social “.

Zudem warf der Rat der Regierung vor, den Impakt der Maßnahme auf den Staatshaushalt (+ 60 Millionen Euro) analysiert zu haben, nicht aber die Konsequenzen für die Haushalte.

Mietwohnungsangebot, auf Basis von Immobilienanzeigen

Neue Forderung des CES

Nachdem die Regierung 2013 der Forderung des CES, eine Impaktstudie durchzuführen, nicht nachgekommen war, fordert der CES die Regierung in ihrem diesjährigen Gutachten zur Lage des Landes auf, eine Analyse über den Impakt der Steuererhöhung auf die Kauf- und Mietpreise durchzuführen, zumal die Erhöhung der TVA logement „se détache de la politique en faveur d'un soutien de l'offre de logements locatifs, laquelle est prônée tant par le Gouvernement que par la Chambre des députés... “.

Die Erhöhung der TVA logement sollte jährlich Mehreinnahmen von 60 Millionen Euro in die Staatskasse spülen. Vom Finanzministerium war allerdings nicht in Erfahrung zu bringen, wie sich die Einnahmen in den vergangenen Jahren entwickelt haben und ob dieses Ziel erreicht wurde. Man verfüge nicht über diese Zahlen, so das Ministerium. Einzig im Gutachten des CES aus dem Jahr 2015 zum Steuersystem findet man Angaben. Allerdings beschränken die sich auf 2014, als die TVA-Erhöhung noch nicht in Kraft war.


Laut diesen Zahlen nahm der Staat 3,6278 Milliarden Euro an TVA ein. 6,2 Prozent (225 Millionen Euro) stammen aus dem Baugewerbe, das auch den Wohnungsbau mit einschließt. Im gleichen Jahr bewilligte der Staat die Rekordsumme von 320 Millionen Euro an Ermäßigungen auf dem Bau von Wohnungen (siehe Grafik).
 

Punktuelle Entwicklungen nicht überbewerten

Julien Licheron vom Observatoire de l'habitat hat eine etwas nuanciertere Sicht, was den Impakt der TVA logement betrifft. Die Steigerung der Wohnpreise sei in erster Linie auf das Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage zurückzuführen. Im Schnitt seien die Preise seit 2010 um jährlich 4,5 Prozent gestiegen. Punktuelle konjunkturbedingte Schwankungen (2015: + 8,2 Prozent) sollten nicht überbewertet werden, sagt Licheron.

Zwar habe die TVA-Erhöhung wohl einen starken Impakt auf die Preisentwicklung in den Jahren 2015 und 2016 gehabt. Der Effekt sei nach zwei Jahren aber wieder verpufft. Auf die langfristige Entwicklung der Wohnpreise habe sie kaum Einfluss. Inwiefern der Rückgang an Mietwohnungen auf dem Anzeigenmarkt (siehe Grafik) auf die TVA-Erhöhung zurückzuführen ist, sei zum jetzigen Zeitpunkt schwer zu sagen, sagt Licheron. Die Immobilienanzeigen seien nicht repräsentativ für den ganzen Mietwohnungsmarkt. Ob das Angebot an Mietwohnungen tatsächlich rückläufig sei, könne man zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht sagen.

Marc Hansen: Keine Preissteigerung bei den Mieten

Wohnungsbauminister Marc Hansen geht nicht davon aus, dass die TVA-Erhöhung die Mietpreise in die Höhe treibt. Zum einen, weil die Besitzer von neuen Wohnungen die Mietpreisgrenze von fünf Prozent des Baupreises nicht ausreizen, zum anderen weil die neuen Wohnungen in Konkurrenz zu älteren und entsprechend günstigeren Mietwohnungen stünden.

Die TVA logement habe auch keinen negativen Impakt auf das Angebot an Mietwohnungen. „Momentan wird so viel gebaut wie noch nie“, so Hansen am Donnerstag auf Nachfrage des "Luxemburger Wort". Bleibt am Ende die unbeantwortete Frage, ob und was die TVA-Erhöhung an Mehreinnahmen eingebracht hat. Sowie die Frage, ob die Maßnahme wirklich nötig war und es nicht angebracht wäre, den superreduzierten Steuersatz auch wieder auf Mietwohnungen anzuwenden.

Quelle: Luxemburger Wort