Design-Gewächshaus in der Küche

Salate und Kräuter immer frisch, ohne Pestizide gewachsen und in Ihrer Küche geerntet?  Zwei Münchener Jungunternehmer haben ein solches Mini-Gewächshaus entwickelt, das in jede Küche passt. Wir haben uns mit einem der Gründer von „Agrilution“ unterhalten und stellen das Konzept „Plantcube“ vor, das auch in Luxemburg bereits seine Kunden gefunden hat.

Gute Ideen entspringen nicht selten aus außergewöhnlichen Erlebnissen und bleibenden Erfahrungen. Und einem ungewöhnlichen Lebenslauf. Max Lössl, der Gründer von „Agrilution“, wächst in China auf, in wohlbehüteten Verhältnissen. Doch seine Mutter, die sich als Entwicklungshelferin engagiert, zeigt dem jungen Max auch eine andere Welt: Armut, Elend, mangelernährte Kinder.

Dieses Ungerechtigkeitsgefühl lässt Max Lössl nicht mehr los. Er möchte etwas an der Ungerechtigkeit ändern, die Zukunft mitgestalten. In Neuseeland engagiert er sich bei Greenpeace, die Umwelt und die Klimakrise beschäftigen ihn dauernd. Er ist tief beeindruckt vom Buch „Vertical Farming“, nimmt Kontakt mit dem Autoren Dr. Dickson Despommier auf und studiert auf dessen Empfehlung hin im niederländischen Den Bosch, dem einzigen Ort, wo das Fach angeboten wird. Unter „Vertical Farming“ verstehen Zukunftsforscher mehrstöckige Gewächshäuser für eine ortsnahe und platzsparende Versorgung, zum Beispiel in urbanen Ballungsräumen.

 

Der „Plantcube“ als Mini-Gewächshaus

 

Doch wie wäre es, „Vertical Farming“ auch zuhause anzubieten? Gemüse, Salate und Kräuter, ohne Pestizide gewachsen, voller Nährstoffe, frisch auf den Tisch! Zusammen mit seinem Freund Philipp Wagner entwirft er die Skizze des „Plantcube“, und sie bauen einen Prototypen. Max und Philipp gründen „Agrilution“, finden Investoren und bringen im März 2019 den ersten „Plantcube“ auf den Markt. Das Interesse ist groß, die Idee und das Konzept begeistern.

Ihr vollautomatisierter Gewächsschrank ist nicht größer als ein Kühlschrank. Die Maße sind natürlich standardisiert und passen in jede Küche, wie Elektrogeräte. Deshalb kann ein „Plantcube“ auch in bestehende Küchen eingebaut werden, man muss halt nur Platz machen und einen Schrank oder ein ausgedientes Gerät opfern. Dabei sieht der „Plantcube“ edel aus, wie ein Design-Gerät.

Pflanzen finden im „Plantcube“ perfekte Wachstumsbedingungen. Er lässt Salate, Kräuter und sogenannte Microgreens direkt in der Küche gedeihen. Microgreens sind Keimlinge, die schon nach wenigen Tagen geerntet werden und daher einen besonderen Reichtum an Aroma und Nährstoffen bieten. Aktuell bietet „Agrilution“ 25 verschiedene Salate, Kräuter und Microgreens an, darunter ausgefallene Sorten wie roter Pak Choi oder Wasabina-Blattsenf. Nach ein bis drei Wochen sind je nach Sorte erste Ernten möglich, danach kann sogar täglich geerntet werden.

 

Hydroponisches System

 

Auf der Webseite von „Agrilution“, www.agrilution.com, werden die verfügbaren Salate und Kräuter im Detail vorgestellt, mit Tipps zur Zubereitung und den Angaben, welche Vitamine und Nährstoffe sie enthalten – und wie sie schmecken.

Bisher liefert „Agrilution“ nur Matten mit eigenem Samen, „aber in Zukunft wird es auch matten ohne Saatgut geben, denn die Kunden wünschen sich, auch selber experimentieren zu können“, kündigt Max Lössl an, „wir können dann aber nicht garantieren, dass es auch funktioniert“.

Vom Prinzip her bieten die Geräte ein geschlossenes Ökosystem mit den einfach auszulegenden Saatmatten, kontrolliertem Licht und Klima sowie einer automatisierten Bewässerung. „Es handelt sich um ein hydroponisches System, man muss sich das wie ein Ebbe/Flut-System vorstellen“, erklärt Max Lössl, den das „Luxemburger Wort“ in München erreichte: „Die Pflanzen werden über eine Pumpe von unten bewässert. Sie trinken das Wasser durch ihre Wurzeln, die durch die Matte durchwachsen. Alles, was die Pflanze nicht aufnimmt, fließt wieder zurück in den Wasserbehälter, und das Wasser kann dann beim nächsten Zyklus wieder verwendet werden“. Das Gerät benötigt keinen Festwasseranschluss, sondern nur einen Wassertank, der für mindestens vier Wochen reicht. 

 

Eine App zur ständigen Überwachung

 

Für die Saatmatten wird nur kontrolliertes und gentechnisch unverändertes Saatgut verwendet. Die lebensmittelechten Saatmatten, die „Agrilution“ in München selbst produziert, bestehen zu 100 Prozent aus wiederverwendeten Textilresten. Und während ein einziger Salat auf dem Feld bis zu 120 Liter Wasser braucht, lässt sich mit dieser Menge ein kompletter „Plantcube“ ein ganzes Jahr lang voll auslasten.

Gesteuert wird das System über eine spezielle App und die „Agrilution Cloud“;  die App bietet Einblick in den Wachstumsprozess und gibt Hinweise zu Wartung und Ernte.

Nach Luxemburg lieferbar

Die Entwicklung des Systems und der Geräte ist aber noch längst nicht abgeschlossen. Ende 2019 ist die Miele Gruppe in das Projekt eingestiegen und hat den Geschäftsbetrieb von „Agrilution“ übernommen. „Jetzt ist Agrilution eine hundertprozentige Tochtergesellschaft von Miele, aber wir bestehen als eine eigenständige Firma“, präzisiert Max Lössl. Er teilt sich weiterhin mit seinem Freund Philipp die Geschäftsführung. Die Miele Gruppe hat die Mitarbeiter übernommen und neues Kapital zur Verfügung gestellt, „um weiterhin den Vertrieb machen zu können und in der Entwicklung voranzuschreiten“.

Den „Plantcube“ kann man sich in Luxemburg bereits bei KicheConcept in Bartringen anschauen, demnächst in anderen Showrooms. Das Gerät wird laut Max Lössl in Zukunft auch bei Miele in Luxemburg ausgestellt werden. Man kann es in den Showrooms „erleben und anfassen“, aber die Bestellung des Gerätes und der Saatgutmatten erfolgt nach wie vor allein über die Webseite von „Agrilution“. Der Preis entspricht dem eines hochwertigen, edlen Elektro-Markengerätes. Das Gerät, von dem einige Exemplare bereits in Luxemburger Küchen installiert sind, wird „innerhalb von etwa fünf Werktagen nach der Bestellung“ geliefert.

www.agrilution.com